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Auf der #rp13: Das ZDF macht gemeinsame Sache mit der kritischen Masse

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Wenn ein Massenmedium, gar ein Fernsehsender auf die „Menschen aus dem Internet“ zugeht, dann darf es mit so ziemlich allem rechnen – nur nicht mit rückhaltloser Zustimmung. Das Netz ist kritisch, meinungsstark, unabhängig und vermutet von Massenmedien gerne mal genau das Gegenteil, zumal von öffentlich-rechtlichen. Das ZDF geht mit einem neuen Projekt nun genau da hin, wo's weh tut. Auf der re:publica stellten die Mainzelmännchen ihren „Faktencheck“ vor, der ganz speziell die Crowd im Internet mit einbeziehen und auf ihr Wissen zurückgreifen will.

Im Wahljahr 2013 stellt das ZDF Wahlkampf-Aussagen von Politikern auf die Probe, überprüft und bewertet sie. Als Recherche-Partner sucht es User, die „es gewohnt sind, im Internet zusammen zu arbeiten“, so ZDF-Frau Sonja Schünemann auf dem rp-Podium. Folgerichtig gewannen die Mainzer Wikimedia Deutschland als Partner, die das Projekt in die deutsche Wikipedia-Community einbringen soll. „Wir suchen Leute, die Fakten recherchieren und nicht nur politische Meinung absondern wollen“, grenzte Schünemann die Stoßrichtung des Projektes ein, das am 13. Mai unter zdfcheck.de online gehen wird. Nach einer Testphase soll die Seite bis August voll operabel sein.

Für den Sender gehe es nicht darum, so hieß es in Berlin auf dem Podium, Internet-User als billige Arbeitskräfte zu missbrauchen. Vielmehr wolle sich das ZDF öffnen und fallweise auf das Wissen der Nutzer zurückgreifen, um wertvollere Ergebnisse zu bekommen. „Genau genommen macht dieses Konzept mehr Arbeit als der normale Redaktionsjob. Da würde man sich eine Richtung geben, im Stillen vor sich hin arbeiten, bewerten und veröffentlichen. Das ZDF verfügt über ausreichend Journalisten, die das können“, führte Schünemann aus. „Jetzt bekommen wir zusätzlichen Input von den Usern, den wir natürlich auch gegenchecken müssen, weil wir als ZDF am Ende für die Inhalte des Faktenchecks rechtlich verantwortlich sind.“ Zwei Checks am Tag hätten sich in der Erprobungsphase als realistisch herausgestellt – es könne aber auch sein, dass mal nur einen harten oder drei „einfache“ Checks gibt. Auch in der Frage wie lange es dauert, bis ein Check ausrecherchiert ist, wollen die Macher erst noch Praxiserfahrungen sammeln – momentan ist die Rede von „ein paar Stunden bis zu ein paar Tagen“.

Weiterführende Links zum Thema:

http://m.re-publica.de/sessions/stimmt-check-dem-zdf-fakten-im-wahlkampf

http://www.heute.de/Stimmt-das-Mit-dem-ZDF-Politikeraussagen-checken-27660288.html

http://m.dwdl.de/a/40597

Was haben die User im Netz davon? „Wenn sich jemand besonders hervortut, wollen wir sie oder ihn natürlich würdigen, auch mal in eine Sendung einbauen, man könnte sich beispielsweise vorstellen einen gemeinsamen Hangout mit den Usern zu machen“, ließ Michael Umlandt, Social Media Manager beim ZDF, die Gedanken schweifen. Ausgemachte Sache ist da aber noch nichts.

Die Ergebnisse des Faktenchecks sollen crossmedial verwendet werden, also beispielsweise in Sendungen wie dem heute-journal, heute oder auf Phoenix Niederschlag finden. In zwei 15-minütigen Pilotsendungen auf zdf.info im Juni und Juli will das Zweite darüber hinaus erproben, wie sich ein eigenes TV-Format rund um den Faktencheck bewährt. Und – klare Ansage: Politiker sollen mit dem Ergebnis eines Faktenchecks konfrontiert werden. Im Fokus des Interesses stehen dabei die Parteien des Bundestages und bei ihnen „wohl eher die bekannten Gesichter, weil sie vor allem wahlrelevant sind“, so Schünemann. Die Auswahl der zu checkenden Themen behält sich die im zehnköpfige, im ZDF-Hauptstadtstudio untergebrachte Redaktion vor – sie sollen nicht von der Crowd gevotet werden. Auch die Bewertung der zu Tage geförderten Fakten bleibt in Händen der ZDF-Redaktion, denn „am Ende ist es ja doch der ZDF-Faktencheck“.

Der Vorstoß des ZDF ist spannend zu beobachten, wie ich finde. Der Knackpunkt wird sein, ob sich genügend „Volunteers“ finden, die sich allein wegen des Spaßes an der Sache engagieren und Zeit investieren – außer, sie haben das notwendige Wissen ohnehin gerade auf der Pfanne. Für die ZDF-Kollegen wird die Schwierigkeit sein, objektive von „interessengesteuerten“ Fakten zu trennen. Die Verlockung von Verbänden, Parteien und sonstige Organisationen, die Mainzelmänner mit wohlmeinenden Fakten zu füttern, dürfte groß sein, gerade im politischen Umfeld. Ein Politiker, dessen Aussagen einen kritischen Faktencheck schadlos überstehen, kommt ins Gerede – positiv. Die Quellenkritik wird also eine große Rolle spielen. Grundsätzlich ist dieser Faktencheck aber ein weiterer, viel versprechender Ansatz, das TV-Publikum aktiv an der großen Unbekannten Fernsehen partizipieren zu lassen. Dafür, dass sich die Macher ihrer Sache noch nicht so ultimativ sicher sind, mag die Tatsache sprechen, dass es für den Faktencheck noch keine Roadmap über die Bundestagswahl im September dieses Jahres hinaus gibt.