Qingdao

Enge Freunde: In dieser Woche unterzeichnen Mannheim und Qingdao ihre Städtepartnerschaft

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Diese Woche ist eine besondere in den Beziehungen der Stadt Mannheim nach China: 27 Jahre nach dem ersten Kontakt wird am Freitag Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz den Vertrag über eine Städtepartnerschaft mit der Stadt Qingdao unterschreiben. Die zwölfte Städtepartnerschaft Mannheims soll Türöffner für weitere große Projekte in China sein.

Um zu verstehen, was diesen Vertrag so besonders macht, hilft ein Blick zurück: Die Beziehungen Mannheims nach Qingdao reichen bis ins Jahr 1989. Damals klinkte sich die Stadt auf Wunsch der Rhein-Chemie Rheinau GmbH in die Verhandlungen über die Gründung eines Produktionsstandorts in China ein. Das Projekt wurde ein Erfolg: Das Unternehmen eröffnete sein Werk als Joint-Venture mit chinesischen Partnern 1999. In diesen Verhandlungen wurde der damalige Erste Bürgermeister und Kämmerer Mannheims, Dr. Norbert Egger, Fan der ehemaligen deutschen Kolonie, die zwischen den Mega-Metropolen Beijing und Shanghai liegt. Er erkannte das Potenzial in den Verbindungen zu der aufstrebenden Stadt am Gelben Meer und hielt den Kontakt aufrecht. Daraus resultierte 1995 ein erster Freundschaftsvertrag, der seither mehrfach erneuert und 2004 gar auf die gesamte Metropolregion Rhein-Neckar erweitert wurde.

Tiefe Freundschaft seit 27 Jahren

2014 vertiefte die Stadt ihren bereits bestehenden Freundschaftsvertrag mit Qingdao abermals. Mannheim und die Region engagierten sich während der Internationalen Gartenbau-Ausstellung in Qingdao – einem internationalen Mega-Event – mit einem eigenen und letztlich viel beachteten „Mannheim Garten“. Außerdem schlossen das Stadtarchiv Mannheim, die Mannheimer Gründerzentren GmbH und die Duale Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim Mannheim Kooperationsverträge mit ihren jeweiligen Pendants. Auch das Rhein-Neckar Fernsehen erneuerte die Kooperation mit Qingdao-TV aus dem Jahr 2004 – die Regionalsender pflegen einen lebendigen Programmaustausch mit häufigen Kontakten.

Während der Zeremonien im August 2014 bekräftigten die Partner die Absicht, im Jahr 2016 eine „echte“ Städtepartnerschaft zu schließen – was besonders auf chinesischer Seite als expliziter Beweis großen Vertrauens gewertet werden darf: Obwohl Qingdao aufgrund seiner deutschen Vergangenheit als Verbindungstor nach Deutschland gilt, unterhält sie keine wirkliche Städtepartnerschaft nach Deutschland. Zwar gibt es viele Freundschaftsverträge – eine so enge Bindung künftig aber nur nach Mannheim. Die deutsche Vergangenheit ist prägend für Qingdao: Die Stadt wurde 1898 von Deutschen gegründet und stand bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 unter der Verwaltung des deutschen Kaiserreichs, ehe Japan nach China einmarschierte. Die Deutschen gründeten eine Schule, brachten die Kanalisation und ein modernes Verwaltungssystem nach China und außerdem das Bier: Das heute in aller Welt bekannte „Tsingtao“-Bier stammt aus der Brauerei, die die Deutschen Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten.

Trotz sprachlicher Barrieren haben sich in den vergangenen Jahren vielfältige Aktivitäten zwischen Mannheim und Qingdao entwickelt: Die Mannheimer Bläserphilharmonie trat bereits 2004 in Qingdao auf, 2007 gab es einen Gegenbesuch der in ganz China bekannten Formation „Xiao Bai Fan“ in der Quadratestadt. 2012 wurde das Deutsch-Chinesische Fußballturnier ins Leben gerufen – unter tätigem Engagement des auch in China als Fußball-Ikone geltenden Klaus Schlappner. Der freundschaftliche Wettstreit findet seither abwechselnd in Mannheim und Qingdao statt. In diesen Tagen jagt eine Kurpfalz-Auswahl in China dem Ball hinterher. Es ist die inzwischen vierte Auflage des Turniers. Und wieder ist Schlappi dabei.

Die Städtepartnerschaft als Türöffner für die Wirtschaft

Nach dem kulturellen und sportlichen Austausch wird indes der wirtschaftliche Aspekt des Kontaktes nach China immer wichtiger. „Eine formelle Städtepartnerschaft erleichtert Unternehmen sowie Einrichtungen und Vereinen den Zugang zu Kooperationen mit chinesischen Partnern sowie Aktivitäten in China“, heißt es in der Beschlussvorlage des Oberbürgermeisters für den Gemeinderat zur Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags. „Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Beziehung weitere konkrete Früchte tragen wird“, erklärt Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz. In der Tat ist Qingdao eine Adresse erster Kategorie, wenn es um den Aufbau und die Pflege wirtschaftlicher Kontakte mit China geht: 112 der internationalen Top-500-Unternehmen haben Investitionsprojekte in der Neun-Millionen-Metropole, die bis 2020 den größten Tiefseehafen der Welt ausbaut. Mehr als 200 deutsche Unternehmen haben sich nach Informationen der Stadt Mannheim bereits in Qingdao angesiedelt. Umgekehrt betätigt sich Qingdao mit 1.100 Investitionsprojekten im internationalen Ausland.

Mannheim möchte künftig der Kristallisationspunkt für alle wirtschaftlichen Aktivitäten zwischen Baden-Württemberg und China sein. Bei den Mannheimer Gründungszentren (mg:gmbh) ist das so genannte „China Desk“ angesiedelt. Es berät und bereitet die Wege für alle Unternehmen, die Interesse für China bekunden – und ist besonders eine Chance für Start-ups, deren Szene gerade in der Quadratestadt floriert. „Die internationale Vernetzung wird zunehmend bedeutsamer, da die digitale Wirtschaft noch viel mehr als die etablierte Wirtschaft einen globalen und internationalen Ansatz hat“, sagt der Geschäftsführer der mg:gmbh, Christian Sommer: „Start-ups müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen, international denken. Hier möchten wir neue Strukturen etablieren.“ Die Basis hat er 2014 mit einem Kooperationsvertrag mit dem Sino German Ecopark in Qingdao bereits gelegt. Dieser neue Stadtteil Qingdaos hat sich nachhaltigen Industrien verschrieben – und dort gibt es bereits eine dauerhafte Präsentation Mannheimer Unternehmen, die sich so bei potenziellen chinesischen Investoren bekannt machen können. Weitere Ansatzpunkte gibt es beispielsweise auch bei gemeinsamen Projekten zur Medizintechnik und in der Elektromobilität.

Am frühen Donnerstag Morgen gegen 4:00 Uhr deutscher Zeit landete die Delegation in Qingdao. Neben Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, Wegbereiter Dr. Norbert Egger und Christian Sommer waren beispielsweise Dr. Jörg Blattmann, Geschäftsführer der Universitätsmedizin Mannheim, und Sieer Angar, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens „Königsweg“ an Bord des Direktfluges LH786 nach Qingdao, außerdem die Gemeinderäte Prof. Dr. Achim Weizel (ML), Marianne Bade (SPD), Claudius Kranz (CDU) und Melis Sekmen (GRÜNE).

Volles Programm: Von Qingdao nach Beijing

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Städtepartnerschaft in Qingdao und dem Besuch des legendären „Bierfestes“ – vergleichbar etwa mit dem Oktoberfest in München – führt sie die Reise am Samstag noch weiter in die Hauptstadt Beijing (Peking). Dort erwartet sie ein Besprechungsmarathon mit Vertretern zahlreicher weiterer prosperierender Städte Chinas von Tianjin bis Shenyang. Ihnen allen will Peter Kurz die Vorzüge der Metropolregion Rhein-Neckar präsentieren und so chinesische Investoren begeistern.

(Dieser Beitrag erschien auch auf RNF.de.)