Tech

Erster Eindruck von Twitter „Spaces“

Lesezeit: 330 Sekunden

Auf meiner letzten Runde durch die Sozialen Netzwerke ist mir heute kurz nach Mitternacht ein neues Symbol in meiner iPhone-Twitter-App aufgefallen, versehen mit einem Hinweis: Ich könne jetzt einer Live-Unterhaltung folgen. Es war das erste Mal, dass ich die Chance bekam, in Twitter „Spaces“ (Link) reinzuhören.

Die Funktion erinnert stark an die Hype-App „Clubhouse“, in der sich User*innen in schnell erstellten Audio-Räumen unterhalten können. Da das Feature sich zzt. wohl noch in einer frühen Beta-Phase befindet und noch nicht viele User*innen Erfahrung damit sammeln konnten, hier ein paar der Punkte, die mir aus der Zeit kurz vor meiner Tiefschlafphase noch in Erinnerung geblieben sind:

  • Die Unterhaltungen tauchen in der App bei den „Fleets“ im oberen Teil der App auf.
  • Wie ich dazu kam, die Ankündigung zu erhalten – keine Ahnung. Ich folge seit einer Weile dem Account @TwitterSpaces, vielleicht spielte das eine Rolle. Ich kannte weder den Moderator der Runde, noch einen der Speaker, die sich während der Diskussion (die sich im übrigen ausschließlich um die Funktionalitäten von Spaces drehte) zu Wort meldeten.
  • An der Runde nahm Kayvon Beykpour teil, laut seiner Bio „Product lead @twitter & co-founder of @Periscopeco“. Auf Nachfrage von @reDDakteur Andreas Szabó (der zufällig auch dabei war / Update: Seine ersten Eindrücke hat er hier in sein Blog geschrieben) sagte er, dass zurzeit nur einige hundert User*innen die Möglichkeit haben, Spaces-Sessions zu initiieren, dass aber grundsätzlich jede*r weltweit eine Chance hätte, sich in eine reinzuklicken.
  • An unserer Runde nahmen etwa 110 User*innen teil. Im Lauf des Gesprächs sagte Kayvon, dass wohl noch mehr „an die Tür klopfen“, aber im Moment nicht reinkämen, weil die Kapazitäten dafür noch nicht ausgelegt seien. Alles noch ziemlich weit weg von den Clubhouse-Reichweiten also.
  • Audio-Qualität: Identisch zu Clubhouse.
  • Die User Experience innerhalb der App ist noch nicht zu Ende ausgefeilt. Minimiert man das Spaces-Feature, liegt es zuweilen im oberen Drittel des Bildschirms – unschön.
  • Man kann nicht alle User*innen in der Runde identifizieren. Scrollt man zum Ende des Bildschirms steht da nur z.B. „+ 102“. Es gibt aber keine Chance, die 102 weiteren Teilnehmer*innen zu sehen.
  • Gastgeber Lanier sagte, er habe keine sehr transparenten Moderationstools. Er könne z.B. nicht zuverlässig sehen, welcher Hörer sich zu Wort melde. Kayvon entgegnete, daran werde man arbeiten. Und im übrigen: Auf jede zehn Bugs, die den User*innen in dieser ersten Phase auffielen, kämen etwa 200, die das Entwicklungsteam zu lösen habe.
  • Unter dem „Herzchen“-Button verbergen sich mehrere Emojis, mit denen User*innen ihr Befinden ausdrücken können, um eine spontane Reaktion auf die Diskussion zu geben, ohne dazwischenquatschen zu müssen. Könnte praktisch sein.
  • Ein Missverständnis ergab sich bei den Speakern bei der „Hand heben“-Funktion: es gibt das Symbol „Hand heben“ als Emoji, und es sieht aus wie das „Melden“-Zeichen auf Clubhouse; was aber mitnichten bedeutet, dass man sich damit im technischen Sinne zu Wort meldet. Dafür gibt es links unten im Screen das Mikrofon-Symbold mit der Beschriftung „Sprechwunsch“. Kleinigkeit, aber für manche eben doch verwirrend.
  • Bestes Feature: Subtitles in Echtzeit – die Ausführungen eines Speakers werden auf Wunsch transkribiert und eingeblendet. Klappte bei mir auf Anhieb erstaunlich gut.
  • Selbstverständlich kann man zusätzlich zur Audio-Diskussion ganz handelsüblich twittern. Zum jetzigen Zeitpunkt geht Kayvon davon aus, dass sich für jede Gesprächsrunde ein Hashtag herausschälen wird, der die Diskussion in einem Space begleitet. Die Frage, ob es künftig Session-Überschriften gebe wie im „Clubhouse“, ließ er ebenso offen wie die Frage, ob man Leute in eine Session „hineinpingen“ könne (auch das ein Feature auf Clubhouse) – im Moment geht er davon aus, dass das Verbreiten des Session-Links entweder öffentlich auf Twitter oder per DM dazu führe, dass User*innen in eine Session eingeladen würden.
  • Moderatoren können Tweets zur Session im oberen Drittel des Screens anheften. Die Zuhörer*innen können sie horizontal durchscrollen.
  • Auf meine Frage per DM, ob man künftig Sessions vorplanen, also „schedulen“ kann, habe ich noch keine Antwort erhalten.
  • Offenbar gibt es im Moment noch keine Möglichkeit, geschlossene Sessions anzubieten. Im ersten Schritt sind die Sessions offen.
  • Die Möglichkeiten, eine Session für andere Admins zu öffnen, sind wohl noch nicht da. Host Lanier sagte, er rudere ganz schön, um alles im Griff zu halten. Es wäre komfortabler, wenn er weitere Leute zu Moderatoren/Admins des Talks machen könne.

Soweit ganz auf die Schnelle die ersten Eindrücke, ungeordnet und vermutlich unvollständig. Mit „Spaces“ könnte eine schöne Ergänzung für die Twitter-Community heranwachsen. Ein Problem könnte allerdings sein, dass die Diskussion damit innerhalb der Twitter-Community bleibt. Auf Clubhouse tummeln sich schon nach wenigen Tagen viele Bekannte, die mit Twitter nichts am Hut haben. Die App scheint irgendwie „offener“ zu sein. Spaces innerhalb von Twitter macht Twitter wieder ein bisschen unübersichtlicher für jene, die bisher ohnehin schon keinen Zugang hatten. Ob das sehr hilfreich ist… – mal sehen.

Ganz organisch löst Twitter natürlich ein Clubhouse-Manko, das mich von Beginn an gestört hat: Man kann neben der Audio-Diskussion chatten und evtl. Input geben, ohne dass der Moderator einen gleich auf die Stage ziehen muss. Das könnte den Diskussionsfluss beleben, lästige Doppel- und Dreifachdiskussionen, die ich in meinen ersten Clubhouse-Tagen schon mehrfach erlebt habe, könnten dadurch minimiert werden.

Hier nun noch ein paar Screenies von heute Nacht für einen ersten Eindruck.

Update vom 26.01.2021:

In einer zweiten Spaces-Session am folgenden Tag erläuterte Marv (@mymarveoulslife, laut Bio im Product Marketing von Twitter) zwei Aspekte:

  • Twitter sei zurzeit dabei ein System von „Profilbadges“ zu entwickeln, die es ermöglichen sollen, einen User auf den ersten Blick besser einzuschätzen. Die exakten Kategorien, auf die ein Badge referenzieren könnte, nannte er nicht. Er ging mit der Erläuterung auf die Bedenken eines Speakers ein, der sagte, er wisse gerne mehr über Spaces-User, die er auf die Stage einlade, aber nicht explizit kenne. Er wolle vermeiden, dass sie sich in der Unterhaltung daneben benehmen, daher sei für ihn ein „Vertrauenshinweis“ wichtig. Die Badges sollen laut Marv ohnehin (also unabhängig von Spaces) eingeführt werden, könnten aber auch hier wertvoll sein.
  • Twitter rolle Spaces zurzeit explizit an kleinere Accounts aus, damit die Ressourcen nicht überlastet werden. Es besteht die Furcht, dass die Server überrannt werden, wenn große Accounts einen Space starten. Im aktuellen Stadium sind die Kapazitäten noch nicht groß genug.