RNF

Initialisiert: re:publica 2013

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Gerade bin ich in Berlin angekommen – kurzer Stop im Hotelzimmer, bevor es jetzt losgeht zur re:publica. Auf der Fahrt hierher habe ich aufgeschrieben, warum es für uns als Regionalsender und für mich als Regional-Journalist Sinn macht, die #rp13 zu besuchen. Dieser Text ist identisch auf rnf.de erschienen.

Heute startete in Berlin die „re:publica“, eine Konferenz um alles, das Onliner bewegt. An drei Tagen treffen sich hier unter dem Motto „in/side/out“ Menschen, die sonst über Blogs, Twitter, Facebook oder andere soziale Netzwerke eng verbunden sind, persönlich und diskutieren im wahrsten Wortsinn über Gott und die Welt. Die Themenfülle ist gleichermaßen erdrückend wie offen, insofern ist die Konferenz dem Internet gar nicht so unähnlich.

Was die Vorträge, Diskussionen und Workshops aber alle gemein haben: Irgendwie dreht sich doch immer alles ums Netz. Von der Politik in Kuba bis zu Häkel- und Strickblogs ist alles dabei und alles gleichberechtigt. Jedes Jahr ein bisschen größer, ein bisschen intensiver und ein bisschen unübersichtlicher. In diesem Jahr erwartet die Konferenz bei ihrer siebten Auflage 5.000 Teilnehmer zu 263 Vorträgen mit 450 Sprecherinnen und Sprechern.

RNF hat 2009 zum ersten Mal Blogger aus der Metropolregion Rhein-Neckar zur re:publica begleitet und darüber berichtet. Siehe unten – wir haben den alten Beitrag noch einmal aus dem Archiv gezogen. Seither war Redakteur Ralph Kühnl fast jedes Mal in Berlin dabei – auch diesmal wieder. Warum schauen wir uns als Regionalsender aus dem Südwesten Deutschlands ausgerechnet bei der re:publica in Berlin um?

Nun – die re:publica hat sich nicht nur nebenbei auch als Themenbörse rund um Journalismus und Fernsehen etabliert: Die Beschäftigung mit der Veränderung der Medienlandschaft ist ihr ein explizites Anliegen.

Das Netz verändert die Medienlandschaft

Das Netz und die Art wie es Informationen transportiert beschäftigt Medienschaffende mehr denn je: Einerseits lässt das Internet Medien verschmelzen und bietet attraktive Möglichkeiten der Aufbereitung journalistischer Themen. Andererseits nutzen die Konsumenten dieser journalistischen Produkte – also Sie als User – inzwischen wie selbstverständlich Tablets, Smartphones und Notebooks, um Nachrichten zu lesen, Fernsehbeiträge zu schauen oder einen Kommentar an einen Fernsehsender oder einen Verlag abzusetzen. Und vermutlich steht diese Entwicklung erst am Anfang. Die re:publica ist eine Plattform, die versucht, einige dieser Entwicklungen zu antizipieren, deren Folgen abzusehen und Schlüsse daraus zu ziehen.

Auch für uns als regionale Fernsehmacher ist es wichtig, diese Ideen aufzunehmen und zu verfolgen. Beileibe nicht alles, was auf der Konferenz besprochen wird, hat unmittelbare Folgen für unser Programm. Vor allem geht es darum, Augen und Ohren offen und den Finger am Puls der Zeit zu halten, um dann, wenn die Gedankenspiele und Experimente aus dem Labor re:publica massentauglich werden, schnell aktiv werden zu können.

Als Beispiele mögen die Präsenzen von RNF bei Twitter und Facebook gelten: Das Account @RNFde eröffneten wir bereits Anfang 2008, als in Deutschland erst ein paar tausend Menschen die Plattform überhaupt kannten; die Facebook-Seite folgte wenig später. @RNFde_feed mit dem Nachrichtenstrom, der aus unserer Webseite fließt, kam 2009. Zu Beginn waren wir mit diesen Netz-Aktivitäten recht allein – inzwischen steigt die Zahl der „Gefällt mirs“ bei Facebook täglich, und auch bei Twitter kommen mehr und mehr Follower hinzu. Dienste, die Fachleuten vor wenigen Jahren noch exotisch, verrückt und unnötig erschienen, wurden Alltag, weil eine breite Masse an Mediennutzern sie einfach für praktisch hielt. Mit ihrem Schwerpunkt „Twitter“ von 2009, der sich untergründig herausgebildet hatte, lag die „re:publica“ in der Rückschau also genau richtig.

Nicht ganz so richtig lag sie, als sie die Nutzung von Video im Netz vorherzusehen versuchte. Damals hieß es, User würden sich nur äußerst selten Videos via Internet anschauen, die länger als zwei Minuten sind. Der Klickfinger auf der Maus sei noch sensibler als ein Finger auf der Fernbedienung, wenn es ums Wegzappen geht. Heute sind wir so weit, dass wir bei RNF Sendungen bis zu einer Stunde Länge ins Netz laden, weil wir an den Klickzahlen sehen, dass es einen Bedarf dafür gibt. Die Sendung „mit Dreck und Speck“, wie wir gerne sagen, mit Moderationen und Unterhaltungsteilen, läuft den einzeln aufs Web gestellten Beiträgen nach und nach den Rang ab, so scheint es – wobei festzuhalten ist, dass wir noch immer bis zu hundert Mal mehr Zuschauer am konventionellen Fernseher als im Internet haben.

Das Netz fördert ein individualisiertes Fernsehprogramm

Und doch sehen wir: Fernseh-Zuschauer entwickeln die Bereitschaft zu einem individuell zusammengestellten Programm. Sie erwarten mehr und mehr, dass sie TV-Sendungen zeitversetzt via Internet sehen können. Befördert wird diese Entwicklung vor allem durch zwei Rahmenbedingungen, die sich schleichend verändert haben. Zum einen: Die Bandbreite der Netze ist flächendeckend gestiegen – Video braucht nun einmal eine höhere Datenrate als eine Email, und erst wenn ein Video schnell in den Rechner flutscht, macht Video via Web richtig Spaß. Zum anderen: Video-Codecs in der aktuellen Generation bieten auch noch bei hoher Komprimierung eines Videos eine technisch sehenswerte Qualität. Insbesondere der von Apple mit dem im iPhone gesetzten Quasi-Standard H.264/mp4 hat insbesondere dem Konsum von Videos auf mobilen Geräten und damit der Überallverfügbarkeit von TV-Nachrichten einen spürbaren Schub verliehen.

Wie geht das mit dem Fernsehen also weiter? In jedem Fall nicht standardisiert. Wir gehen davon aus, dass die Individualisierung im Nutzerverhalten fortschreitet. Soll heißen: Wer sich per Video über das, was ihn interessiert, informieren will, wird sich dafür sein Lieblingsgerät suchen: Den Fernseher im Wohnzimmer, das Smartphone in der S-Bahn, den Tablet-Computer auf der Gartenliege. Linear, also nach einem bestimmten Programmschema oder zeitversetzt ganz nach Belieben. Im Berieselungsmodus – was wir auch „Lean-back-Position“ nennen – oder aktiv auf der Suche nach Information, „lean forward“ also. Für uns als RNF bedeutet das, dass wir Mittel und Wege finden müssen, wie Sie uns in Ihr spezielles Nutzerverhalten einbauen können, ohne dass es zu aufwändig wird – weder für Sie, noch für uns.

Deshalb bauen wir zurzeit an Programm-Feeds in offenen Standards mit, an die sich potenziell Plattformen aller Art anhängen können. Wer weiß denn schon genau, welche Möglichkeiten die Zukunft uns bieten wird? Die Meldungen auf unserer Webseite inklusive der wichtigsten Beiträge können Sie längst schon unter http://www.rnf.de/feed/ in Ihren persönlichen RSS-Reader ziehen, das ist im Web der seit vielen Jahren geübte Standard und nichts wirklich Neues; die Praxis geht aber weiter: Zurzeit bauen wir eine Oberfläche für Smart-TV-Geräte, die den HbbTV-Standard unterstützen. Die Videos aus unserer Mediathek im Internet – inklusive der kompletten Sendungen aus RNF Life, Zur Sache, Telekoch etc. – werden in Kürze also auf TV-Geräten, die einen Internet-Anschluss haben, per „Red Button-Funktion“ zu sehen sein. Dieser technische Standard ermöglicht es theoretisch auch anderen Anbietern, Videos aus unserer Mediathek „anzuzapfen“ und zur Verfügung zu stellen. Am Ende sollte es egal sein, mit welchem Gerät Sie auf welcher Plattform „fernsehen“, wenn man das dann noch so nennen kann – Sie sollten in jedem Fall RNF dort finden.

Das Netz bringt erweiterte Formen des Journalismus hervor

Soweit die technische Seite. Darüber hinaus verändert das Netz aber auch den Journalismus und die TV-Produktion selbst. Es geht beispielsweise um „Data Journalism“, die Auswertung von Datensätzen, oder um die Visualisierung von komplexen Informationen unter den Möglichkeiten einer zeitgemäßen Webseitenprogrammierung. Auch in diesem Jahr stellen TV-Macher neue Modelle vor, die klassisches Fernsehen und eine interaktive Internet-Anwendung zu einem gemeinsamen Medien-Event werden lassen sollen. Es geht für Journalisten auch darum, sich im wachsenden Strom von Informationen Gehör zu verschaffen, ohne die Seriosität zu verlieren. Oder ein Ereignis, das sich gerade in der Entwicklung befindet, anzureißen und darüber zu berichten – aber dennoch klarzumachen, dass sich die Informationen dazu noch ändern können und eine abschließende Bewertung noch nicht möglich ist. Diese Form der Berichterstattung kam in der Vergangenheit nur in Ausnahmefällen vor, wenn beispielsweise ein Reporter in Live-Schaltungen von einem Ereignis berichtete. Heute ist das mit der Geschwindigkeit des Netzes und mit seinen mobilen Möglichkeiten grundsätzlich jederzeit und von jedem Ereignis aus möglich. Transparenz zeigen, von den Nutzern zurückgespiegelte Informationen verwerten, stetig aktualisieren – die Arbeitsweise von Journalisten ändert sich auf breiter Front. Und immer wieder die Frage: Wie gehen wir als Regionalfernsehen damit um?

Früher hatten wir einen Fixpunkt am Tag: 18 Uhr. Da musste ein Beitrag für die Sendung „RNF Life“ fertig sein. Und der Informationsstand um diese Zeit war dann eben für diesen Tag wie in Stein gemeißelt. Im Web von heute ist zu jeder Uhrzeit Redaktionsschluss und zu jeder Uhrzeit ein neuer Arbeitstag. Informationen werden angerissen und fortgeschrieben, möglichst aktuell. Aber es wäre – um für unser Medium zu sprechen –   sehr aufwändig, einen Video-Beitrag zu drehen, zu schneiden, zu texten und immer wieder abzuändern. Fortschreitende Aktualisierungen lassen sich auf einer Webseite leichter bewerkstelligen. Wir müssen also Formen der Darstellung finden, die dem Anlass und dem Medium angemessen sind und die Sie, unsere Zuschauer, auf Anhieb verstehen, ohne dass Sie sich falsch oder schlecht informiert fühlen. Auch darüber wird im Netz und auf der re:publica diskutiert, und natürlich über Vieles andere mehr.

Nicht alles und jedes Detail über unseren Besuch bei der re:publica werden Sie an dieser Stelle lesen – der Fokus an dieser Stelle bleibt bei den regionalen Nachrichten. Aber Sie können auf dem Blog von Ralph Kühnl ein wenig re:publica-Atmosphäre aufschnappen, da passt es auch hin – letztlich handelt es sich ja in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer um die „Blogger-Konferenz“. Auf Twitter können Sie Kommentaren rund um die re:publica unter dem Hashtag #rp13 folgen.

Der Beitrag über die re:publica aus dem Jahr 2009. (rk)