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Videoplattformen im Netz buhlen um die Nutzergunst #rp15

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Status und Zukunft von Videoplattformen – diesem Komplex widmete sich ein sehr dichter Vortrag von Bertram Gugel auf der Media Convention im Rahmen der Republica. Er fasste kompakt zusammen, wie die unterschiedlichen Plattformen im Jahr 2015 funktionieren – oder eben nicht.

Allen voran YouTube. Was dort funktioniert: Vlogs, Gaming-Videos, Beauty. Filmemacher tummeln sich lieber auf Vimeo, dessen Ökosystem sich speziell auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe eingerichtet hat. Was auf YouTube nicht mehr funktioniert: Schnelle, ungeplante, spontane Uploads. Die mag es zwar geben – aber niemand erwartet sie mehr auf YouTube. Wenn man so will, nähert sich YouTube in gewisser Weise dem Fernsehen an: Videos werden (wenn auch häufig nicht aufwändig gedreht, so aber doch zuweilen anspruchsvoll montiert) zu festen Zeiten hochgeladen, denn: „Der Algorithmus honoriert Formatierung“, so Bertram Gugel. Heißt: Ein höheres Ranking in der Suche, mehr Reichweite. Die Stars auf YouTube finden Formate, um sich gegenseitig zu featuren, sie treiben die Bekanntheitsspirale durch Gastauftritte beim Kollegen nach oben, auch das: wie im Fernsehen.

Nach Bertram Gugel hat YouTube seine Funktion als Community weitgehend verloren. Die weitgehende Integration in Google+ hat die User vergrätzt. YouTube-Fans surfen ihre Stars direkt auf deren Channel an, Viralität und Verlinkung finden bei dem Videoriesen kaum noch statt. Statt dessen sei die Plattform häufig ein „Endpunkt“: Links aus Blogs, Facebook und Twitter führen zu einem YouTube-Video – und dort endet die Klickreise dann bzw. führt zurück auf die Plattform, die einen zum Video geführt hat.

YouTube verliert an Viralität

Viralität findet also anderswo statt – aus Facebook beispielsweise, wo relativ komfortabel kurze Videos für den eigenen Freundeskreis vom Smartphone in der Timeline des eigenen Freundeskreises abgeladen werden können. Taugt es was, wird es geteilt, geliket, weiterverbreitet, innerhalb der selben Plattform. Diese Fähigkeit hat YouTube abgegeben. Nativ auf Facebook hochgeladene Videos erreichen auf diese Weise an die zehn Mal mehr Menschen als auf YouTube.

Vlog-Produzenten tummeln sich dennoch auf der Google-Plattform, weil sie Monetarisierung verspricht. Theoretisch zumindest. Gugel rechnet vor, dass YouTube an seine Partner 1,19 Dollar pro 1000 Abrufe ausschüttet. Das bedeutet, dass es Pi mal Daumen 450.000 Abrufe eines Videos braucht, um 500 Dollar Produktionskosten wieder reinzuholen – die man braucht, will man kalkulatorisch für einen Clip braucht, will man von Video leben und sich nicht permanent selbst ausbeuten. Keine besonders attraktive Perspektive.

Das macht sich Vessel zunutze. Eine Plattform, die laut Gugel Produzenten einge Gage von 50 Dollar pro 1000 Abrufe garantiert – wenn sie exklusiv zur Verfügung gestellt werden. Das könnte dazu führen, dass aus YouTubern „Vesseler“ werden und die Reichweite der Plattform schnell zunimmt.

Geld wird nicht im Netz verdient

Unterdessen sei es aber schon so, dass YouTube-Stars YouTube mehr und als PR-Plattform in eigener Sache sehen. Die Umsätze generieren sie woanders – zumindest in den USA schon: Sie schreiben und verkaufen Bücher, singen, lassen sich vom Fernsehen engagieren (das offenbar doch noch eine gewisse Attraktivität hat…), drehen Kinofilme. Menschen als Marke.

Und damit ist die Video-Welt noch nicht zu Ende erkundet: Messenger werden mehr und mehr zu Video-Treibern. WhatsApp und Snapchat haben Vertikal-Video hoffähig gemacht, Vine (ein Ableger von Twitter, der quadratische Videos in einer Länge von maximal sechs Sekunden verbreitet) hat sich zu einem Spielplatz für Stoptrick-Künstler entwickelt. Hat keiner so geplant, ist jetzt aber so.

Der Platzhirsch wirkt angeschlagen

YouTube – eben noch gefeiert als Plattform der Selfmadestars – verliert in einer Zeit, in der Video mit Macht in anderen Plattformen ankommt, relativ an Relevanz. (Dass dort dennoch nach Angaben von YouTube-Manager Ben McOwen Wilson in einem anderen Panel – in absoluten Zahlen – 300 Stunden Video pro Minute hochgeladen werden, steht auf einem anderen Blatt). „Das Momentum von 2013, der Hype ist vorbei“, postuliert Bertram Gugel. „YouTube muss sich etwas einfallen lassen.“

Möglichkeiten, Video zu verbreiten, gibt es viele. Möglichkeiten, damit Geld zu verdienen, so gut wie keine. Denn keine der momentan bei Usern hippen Plattformen zahlt adäquat für die Inhalte, die doch nicht selten aufwändig produziert sind.

Also: Die Plattformen helfen dabei, Reichweite zu generieren und den Bekanntheitsgrad zu steigern. Video-Produzenten, Video-Journalisten gar, müssen unterdessen nach wie vor andere Kanäle finden, um für ihre Arbeit honoriert zu werden. Und das ist schwieriger denn je in einem Umfeld, in dem „kostenlose“ Videos in Freundes-Timelines Zeitfresser sind und das Zeitbudget von Usern zur Aufnahme von Information verknappen.