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EDIT: In diesem Artikel gibt es nichts mehr zu lesen. Die App wurde eingestellt.
Seit ein paar Wochen habe ich eine neue Lieblings-App: Beme. Was sie tut? Man nimmt mit ihr Video-Schnipsel in einer Länge bis zu acht Sekunden auf – entweder mit dem manuellen Aufnahmeknopf innerhalb der App oder indem man sich das Smartphone beispielsweise vor die Brust hält. Sobald der Lichtsensor des Smartphones abgedunkelt ist, beginnt die Aufnahme. Stimmt schon: Das schließt aus, dass man das Bild kontrollieren kann. Aber genau das ist das Konzept: Selbst wenn man den Aufnahmeknopf benutzt, erscheint auf dem Display kein Sucherbild. Den Bildausschnitt kann man allenfalls schätzen. Dasselbe gilt bei Selfie-Aufnahmen – Recording im Blindflug.
Beme ist absolut nichts für Kontrollfreaks. Es gibt auch keinen Zoom, keine manuelle Schärfe, keine Kontrastregelung. Nach Abschluss der Aufnahme lädt der Videoschnipsel automatisch hoch – keine Chance, sich den Clip vorher noch einmal anzuschauen. Mehrere Schnipsel, die in kurzer Folge nacheinander aufgenommen wurden, werden in der App hintereinander abgespielt – gemeinsam bilden sie einen so genannten „Beme“. Alles hochkant, naja, aber da ist Beme ja nicht alleine.
Vlogger Casey Neistat, der die App entwickelt hat, hatte die Absicht, die User möglichst authentisch Momente erleben, aufzeichnen und im Social Web teilen zu lassen – ohne Nachbearbeitung, ohne Effekte, ohne technische Kosmetik. Als die App im Juli 2015 herauskam, konnten Bemes nur ein einziges Mal angesehen werden. Danach verschwanden sie – was im Web, beispielsweise auf Reddit, heftig kritisiert wurde.
Inzwischen bleiben Bemes erhalten, sie können im Profil eines Users immer wieder angesehen werden. Und nicht nur das – ganz neu: Bemes können jetzt auch als komplettes Video heruntergeladen und beispielsweise auf YouTube, Facebok, Twitter oder Instagram weiterverwertet werden. Videos aus der geschlossenen Plattform der App befreien zu können – ein ganz wichtiges Feature, wie ich finde. Snapchat hatte es vorgemacht.
Hier ein kleines Beispiel, das ich heute auf YouTube gepackt habe:
Auch sonst erinnert die Idee von Beme stark an Snapchat, klar. Die Parallelen sind nicht zu übersehen. Und doch gibt es einen essenziellen Unterschied: In Beme gibt es keine Sticker, keine Schrift, keine Filter, keinen Schnick und keinen Schnack. Beme will das rohe, unverfälschte Video – und genau das gefällt mir. Außerdem hilft Beme – ganz anders als Snapchat – interessante User bzw. Videos zu finden. Per Geo-Tagging findet man schnell Bemes aus dem eigenen regionalen Umfeld; ganz neu sind außerdem die Länder- und Themen-Channels unter dem „Discover“-Button.
Von Live-Video (Periscope, Facebook) abgesehen kenne ich keinen schnelleren Weg, Videogeschichten ins Web zu bekommen: App auf, Handy vor die Brust halten, fertig. Alles andere geht von alleine.
Nicht wenige User nutzen die App genau so: Handy vor die Brust, Upload. Ich folge inzwischen etwa 80 „Bemern“, von denen allerdings nur wenige regelmäßig Videos absetzen. Und wenn, dann ist – anders als auf Snapchat – oft noch keine „Storytelling-Kultur“ erkennbar. Es sind Zufallsschnipsel ohne Kontext, als sei jemandem eingefallen: „Ach, Beme, genau. Könnte ich auch mal wieder…“. Dadurch wirken manche Bemes zusammenhanglos, so ohne Kommentar, ohne Einordnung. Aber das kann ja noch werden. Und langweilig wird’s ohnehin nicht: Unter dem „Discover“-Tab finden sich immer wieder feine Video-Kurzgeschichten aus allen Teilen der Welt.
Beme macht Vlogging einfach, schnell und damit unaufwändig. Es ist weniger fancy als Snapchat, aber das macht gerade seinen Charme aus. Ich bin sehr gespannt, wohin Casey Neistat die App noch führen wird. Seit der Version 1.0 Anfang Mai 2016 gab es immer wieder Updates, die die App positiv nach vorne brachten. Bugs, die ich vor zwei Wochen nich bemängelte, sind offensichtlich ausgemerzt. Die Bedienung hakelt immer weniger. Erst Freitag Nacht kam die Version 1.0.5. Das hat Potenzial – und da bleib‘ ich gerne noch eine Weile dran.