Nun ist es also doch passiert: Wir haben einen Podcast! Also: Johannes und ich. Er hatte mich gefragt, ob wir über Bücher reden wollen, und das haben wir nun zum ersten Mal getan. Aus der Auswahl, die Johannes uns zum Start ausgesucht hatte, haben wir uns für „Antwerp“ von Michael Pye entschieden – den gleichermaßen detaillierten wie amüsanten, spannenden, bunten, unterhaltsamen Einblick in die Stadtgesellschaft Antwerpens des 16. Jahrhunderts, die „Goldenen Jahre“ der Stadt. Klingt erstmal irgendwie langweilig geschichtlich, ist es aber überhaupt nicht.
Den Podcast gibt es auf allen größeren Plattformen: Spotify, Apple, YouTube – oder eben hier.
Und was irgendwie konzeptionell eben auch wichtig ist: Spaghetti Bolognese für Johannes und mich nach der Aufnahme – sonst gilt’s ja nicht.
Das erste Buch: „Antwerp“
Zum Auftakt diskutieren wir Michael Pyes „Antwerp“ (engl.) – eine erzählerische Stadtgeschichte über die „glory years“ Antwerpens im 16. Jahrhundert. Der Reiz: Pye zeigt die Stadt nicht als Kulisse, sondern als Labor moderner Praktiken – vom Finanzwesen über Medien bis zur städtischen Kultur.
Die These
Antwerpen wirkt erstaunlich modern. Zwischen ca. 1500 und 1570 explodiert die Stadt von rund 40.000 auf etwa 140.000 Einwohner. Nicht Ordnung schafft den Aufstieg, sondern Freiheit, Offenheit und Tempo – mit allen Schattenseiten.
Was wir besprechen – die wichtigsten Punkte
1) Stadtbild & Selbstorganisation
Kaum starke Obrigkeit, wenig kirchliche Kontrolle: viel unternehmerischer Freiraum.
Straßen als Marktplätze, enge Gassen, Lärm, Gerüche – Produktivität im Durcheinander.
Glocken strukturieren den Tag und verbreiten Nachrichten – eine analoge Warn-App der Frühen Neuzeit (Börsenbeginn, Sperrstunden, Gefahrensignale). Die berühmte „Carolus“-Glocke steht sinnbildlich für Wachstum und Reichweite.
2) Handel, Kredit, Risiko
Papier statt Barzahlungsfetisch: Schuldscheine, Wechsel, Frühformen von Papiergeld und Versicherungen.
Der Atlantik- und Indienhandel verlagert Warenströme nach Antwerpen; englische, portugiesische und andere Händler prägen die Stadt.
Unternehmertum ist riskant bis lebensgefährlich: Gewinne locken, aber Scheitern kann existenziell sein – teils mit Gewalt im Schlepptau.
3) Medien, Wissen, Öffentlichkeit
Mit Druckern/Verlegern wie Christophe Plantin wird Antwerpen ein Informationshub: Flugschriften, Börsen- und Wechselkursblätter, Atlanten (z. B. Abraham Ortelius).
Albrecht Dürer, Paracelsus & Co. zeigen: Künstler und Wissenschaftler werden Akteure eines entstehenden Markts. Kultur wird handelbar – Kunst als Ware, Wissen als Wettbewerbsvorteil.
4) Gesellschaft & Rollenbilder
Migration als Triebkraft: Menschen kommen, heiraten ein, mischen Netzwerke auf.
Frauen handeln mit, führen Geschäfte – oft (noch) über Ehen abgesichert.
Kriminalität gehört zur Realität einer Boomstadt; Machtkämpfe zwischen Kaufleuten, Finanziers, Mittelsmännern.
5) Gesundheit & Pandemie-Erfahrungen
Pestwellen erzwingen Präventionsregeln, die an Corona erinnern: Abstände, Einkaufsvertretungen, Kennzeichnung von Häusern.
Medizinisch bleibt vieles Spekulation – doch Alltagsvernunft (wärmen, besser essen) setzt sich durch.
6) Aufstieg, Überdrehen, Absturz
Antwerpens Stärke ist Freiheit – aber fehlende Balance (Regeln, Stabilität) macht das Erreichte fragil.
Konflikte, Gegenreformation, Kriege und Brände beenden die goldene Phase; Amsterdam übernimmt.
Pointe: Offenheit schafft Innovation, zu wenig Ordnung zerstört ihre Nachhaltigkeit.
Brücke in die Gegenwart – drei Lehren
Diversität + Offenheit = Innovation. Wo Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen frei interagieren, entstehen neue Lösungen – damals wie heute.
Balance statt Dogma. Weder Überregulierung noch Regellosigkeit: Freiheit braucht Leitplanken, damit Fortschritt bleibt.
Information ist Infrastruktur. Von Glocken bis Flugblättern – wer Informationsflüsse baut, baut Märkte und Macht. Das gilt auch im Zeitalter sozialer Medien – inklusive Desinformation als strategischem Werkzeug.
Warum dieses Buch ein starker Auftakt ist
Es ent-mittelaltert das 16. Jahrhundert und zeigt Moderne im Werden.
Es erzählt große Prozesse (Handel, Staat, Kirche) über nahbare Mikrogeschichten.
Es liefert Anschlüsse zu Wirtschaft, Technologie, Stadtentwicklung – ideal für den interdisziplinären Anspruch von Books & Bolo.
Service
Buchtipp:Michael Pye, „Antwerp“ (englisch, gut lesbar).
Reisefact: Wer heute Antwerpen besucht, sieht wenig aus den „glory years“ – vieles wurde Ende des 16. Jh. zerstört und später barock überformt. Der Grote Markt und historische Straßennamen geben noch Orientierung.
Ausblick
In den nächsten Folgen stehen zwei Richtungen zur Wahl:
ein aktuelles Sachbuch zu Künstlicher Intelligenz (KI in der realen Welt),
oder ein Roman über einen frühen Pionier der Computerwissenschaften.
Mitreden erwünscht: Welche Richtung interessiert dich mehr? Welche Bücher sollen auf die Liste? Schreib uns – Books & Bolo lebt vom Gespräch über dem Buchrand hinaus.
Lesezeit: 208 Sekunden
Nun ist es also doch passiert: Wir haben einen Podcast! Also: Johannes und ich. Er hatte mich gefragt, ob wir über Bücher reden wollen, und das haben wir nun zum ersten Mal getan. Aus der Auswahl, die Johannes uns zum Start ausgesucht hatte, haben wir uns für „Antwerp“ von Michael Pye entschieden – den gleichermaßen detaillierten wie amüsanten, spannenden, bunten, unterhaltsamen Einblick in die Stadtgesellschaft Antwerpens des 16. Jahrhunderts, die „Goldenen Jahre“ der Stadt. Klingt erstmal irgendwie langweilig geschichtlich, ist es aber überhaupt nicht.
Den Podcast gibt es auf allen größeren Plattformen: Spotify, Apple, YouTube – oder eben hier.
Und was irgendwie konzeptionell eben auch wichtig ist: Spaghetti Bolognese für Johannes und mich nach der Aufnahme – sonst gilt’s ja nicht.
Das erste Buch: „Antwerp“
Zum Auftakt diskutieren wir Michael Pyes „Antwerp“ (engl.) – eine erzählerische Stadtgeschichte über die „glory years“ Antwerpens im 16. Jahrhundert. Der Reiz: Pye zeigt die Stadt nicht als Kulisse, sondern als Labor moderner Praktiken – vom Finanzwesen über Medien bis zur städtischen Kultur.
Die These
Antwerpen wirkt erstaunlich modern. Zwischen ca. 1500 und 1570 explodiert die Stadt von rund 40.000 auf etwa 140.000 Einwohner. Nicht Ordnung schafft den Aufstieg, sondern Freiheit, Offenheit und Tempo – mit allen Schattenseiten.
Was wir besprechen – die wichtigsten Punkte
1) Stadtbild & Selbstorganisation
2) Handel, Kredit, Risiko
3) Medien, Wissen, Öffentlichkeit
4) Gesellschaft & Rollenbilder
5) Gesundheit & Pandemie-Erfahrungen
6) Aufstieg, Überdrehen, Absturz
Brücke in die Gegenwart – drei Lehren
Warum dieses Buch ein starker Auftakt ist
Service
Ausblick
In den nächsten Folgen stehen zwei Richtungen zur Wahl:
Mitreden erwünscht: Welche Richtung interessiert dich mehr? Welche Bücher sollen auf die Liste? Schreib uns – Books & Bolo lebt vom Gespräch über dem Buchrand hinaus.
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