Qingdao RNF

Die Unterschrift ist trocken – und die Verbindung zwischen Mannheim und Qingdao wieder ein bisschen enger

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Zum Jahresende ist ein Zwischenziel geschafft: RNF und Qingdao-TV unterschrieben einen neuen Kooperationsvertrag

Seit August beschäftigte sich dieses Blog vor allem mit der Berichterstattung über die Freundschaft zwischen der Stadt Mannheim und der chinesischen Stadt Qingdao. Die Beiträge hier ergänzten die Berichte im Rhein-Neckar Fernsehen. Wie ich hier in diesem Zusammenhang an anderer Stelle schon schrieb, pflegt RNF seit gut zehn Jahren Kontakte zu dem regionalen TV-Sender der Stadt am gelben Meer, Qingdao-TV.

Als die Delegation der Stadt Mannheim im August Qingdao besuchte und wir darüber berichteten, war es unser Ziel, auch die Partnerschaft der beiden Fernsehsender zu erneuern. Ich bemühte mich um einen Termin bei den Kollegen und führte ein gutes Gespräch mit dem stellvertretenden Chefredakteur des Nachrichten-Kanals. Im Gegensatz zu früheren Besuchen in dem Sender ging es diesmal von Beginn an weniger förmlich, weniger zeremoniell zu – obwohl wir uns an diesem Tag erst kennengelernt hatten. Es war spürbar, dass wir gemeinsam zum Punkt kommen wollten und ein gemeinsames Ziel im Auge hatten.

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In Mannheim erneuerten RNF und Qingdao-TV nach zehn Jahren die Vereinbarung über eine Kooperation.

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Neue Kooperation abgeschlossen

Qingdao-TV benannte damals bereits einen journalistisch arbeitenden Kollegen als meinen Ansprechpartner für die Kooperation. Er hat in Nottingham studiert, spricht fließend Englisch und weiß, wie der westliche Fernsehjournalismus funktioniert. Einen Tag begleitete er uns bei Dreharbeiten in Qingdao; wir redeten viel über die Arbeit in den Medien und loteten aus, welche Art von Zusammenarbeit für unsere Sender möglich wäre.

Seit August stehen wir via Email und vor allem über das asiatische Pendant zu WhatsApp, WeChat, in engem Kontakt. Darüber hat sich schon fast so etwas wie eine persönliche Freundschaft entwickelt. Über diese Kanäle bereiteten wir die neue Kooperation vor, die Anfang Dezember in Mannheim unterzeichnet wurde. Eine Delegation aus Qingdao unter Führung des Leiters des Informationsamtes besuchte Deutschland und hatte sich unter anderem den Abschluss der Kooperation vorgenommen. In diesem kleinen Beitrag in RNF Life würdigten wir den Besuch, der vermutlich 2015 erste Früchte tragen wird.

 

RNF und Qingdao-TV – was soll diese Kooperation bringen?

Klar, diese Frage haben wir uns auch gestellt, bevor wir die Bemühungen um eine Erneuerung der Partnerschaft starteten. Zunächst einmal geht es darum, Videos auszutauschen: Zuerst allgemeine Filme über die Regionen; Features, die die Städte und das Umland zeigen und erklären. Mannheim und Qingdao wollen 2016 einen Partnerschaftsvertrag unterschreiben. Dazu ist es nötig, dass die Bürger in beiden Städten überhaupt erst einmal wissen, wer das da „auf der anderen Seite“ eigentlich ist. Fernsehen ist das ideale Medium, um sich einander vorzustellen, sich in der jeweils anderen Stadt umzuschauen und einen ersten Eindruck von ihr zu bekommen. Insofern haben wir ganz idealistisch die Absicht, die Entwicklung der Freundschaft der beiden Städte zu unterstützen.

Und: Ganz praktisch sieht die Vereinbarung vor, dass sich die beiden Sender gegenseitig Produktionshilfe leisten, wenn Teams die jeweils andere Stadt besuchen. Das hat im übrigen bei unserem Besuch im Sommer auf Grundlage der alten Vereinbarung schon ganz hervorragend geklappt.

Unterschiedliche Voraussetzungen

Nun muss sagen, dass die Voraussetzungen bereits bei diesem ersten Schritt des Austauschs von Videos unterschiedliche sind. Qingdao-TV ist wie in China üblich staatlich gelenkt und wird staatlich finanziert. Der Sender kann aus einem großen Pool an Filmen über die Stadt schöpfen. Journalistisch-kritische Ansätze darf man in diesen Videos indes nicht erwarten, eher ein Postkarten-Idyll. Solche Filme bietet das RNF-Archiv kaum. Ein allgemeines Touristen-Video über Mannheim wie von einer Reise-DVD gibt es bei uns nicht – noch nicht. Vielleicht müssten wir das mal in Angriff nehmen. Aber durchaus Filme zu spezielleren Themen, aus der jüngeren Vergangenheit etwa die Reportage über „125 Jahre Wasserturm in Mannheim“, einen Überblicksfilm über die Metropolregion Rhein-Neckar (sogar in chinesischer Übersetzung) oder den Jahresrückblick aus der Region. Diese Beiträge wollen wir zur Verfügung stellen.

Mittelfristig – also nach dem ersten Kennenlernen – wollen wir erreichen, dass die Sender mehrmals im Jahr Nachrichtenzusammenfassungen über das Geschehen in der Stadt austauschen, um so mehr und mehr gegenseitige Alltagseindrücke zu bekommen und eine Art „Normalität“ im Verständnis des jeweils anderen zu schaffen. Inwieweit das mit den chinesischen Standards von Journalismus zu vereinbaren ist, wissen wir noch nicht.

Natürlich haben wir im persönlichen Gespräch die aus unserer Sicht kritischen Themen in China angesprochen, auch die Abhängigkeit der Berichterstattung. Unsere Partner sind sich unserer Sicht der Dinge durchaus bewusst und erklärten die gesellschaftlichen Befindlichkeiten in China so: Die Bevölkerung sei in der Breite weitgehend apolitisch. Es gehe im täglichen Leben vor allem darum, das eigene Wohlbefinden zu steigern. Das heißt: Eine gute Wohnung zu bekommen, ein Auto zu besitzen, sich Wohlstand zu erarbeiten. Im Fernsehen suchten die Menschen alltagstaugliche Information, Unterhaltung und Zerstreuung. Das spiegele sich eben auch im Programm des Senders wider. Nur einer der sieben Kanäle des Regionalsenders beziehe sich explizit auf Politik. Über die Zuschauerakzeptanz dieses Kanals schwiegen sich die Kollegen aus.

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Lernen vom jeweils anderen

Die inhaltliche Ausgestaltung der Kooperation wird sich also noch erweisen müssen. Wichtig ist aus unserer Sicht zunächst, den Vertrag mit Leben zu füllen und einen Anfang zu machen. In Zukunft kann es noch einige Lerneffekte geben – etwa auch, was die Arbeitsweise in einem regionalen Nachrichtensender angeht. Der Nachrichtenkanal von Qingdao-TV, mit dem wir im Speziellen kooperieren, hat 200 Mitarbeiter. Sie betreuen die 8-Millionen-Metropole nachrichtlich, meist als VJs. Aus ihren Beitragen entsteht jeden Abend eine bis zu fünfstündige Nachrichten-Sendung. Das ist schon ganz beachtlich. Die Reporter drehen, schneiden, texten und vertonen selbst. Die technische Qualität der Beiträge, davon konnten wir uns selbst überzeugen, ist dabei oft zweitrangig. Es geht der Redaktion mehr um Themenvielfalt und darum, in dem vergleichsweise großen Sendegebiet auch die kleinen Themen nicht aus dem Auge zu verlieren. Kurze Beiträge, für unser Ästhetikempfinden gruselig geschnitten, akustisch grauenhaft übersteuert, aber in aus einem hypermodernen Studio heraus anmoderiert. Das sind Ansätze, die wir so nicht kennen – und ich weiß auch nicht, ob Zuschauer in Deutschland sie goutieren würden. Die Sehgewohnheit deutscher Zuschauer bewegt sich im internationalen Vergleich auf einem hohen Niveau. Miese Beiträge werden durch Wegzappen abgestraft. Aber überhaupt einmal zu sehen, wie anderswo Regionalfernsehen gemacht wird, hinter die Kulissen zu blicken und zu sehen welche Werte dabei eine Rolle spielen, ist schon interessant. Wenn möglich, streben wir auch den ein oder anderen personellen Austausch an. Dass nun RNF-Mitarbeiter in Qingdao Beiträge machen oder umgekehrt, das ist nicht das Ziel. Aber hingehen, sich umschauen, Eindrücke mitbringen – das sollte drin sein.