Lesezeit: 265 Sekunden
Mein Highlight der Media Convention im Rahmen der re:publica 2015: Das Gipfeltreffen der Video-Plattformen. Manager von Facebook, YouTube/Google, Yahoo und Amazon auf einem Podium.
Das Panel gab einen Einblick in die Strategien der mächtigsten Player im hart umkämpften Videomarkt. Es geht um Videoviews, Verweildauern, Aufmerksamkeitsspannen – den Währungen für den wirtschaftlichen Erfolg. Klar ist: Die Videoplattformen sind nicht mehr länger nur Verwalter von Inhalten, die Nutzer hochladen. Sie greifen als Produzenten von Inhalten aktiv in den Markt ein. Alle, außer Facebook.
Robert Bridge von Yahoo stellte einen weltweiten DJ-Wettbewerb vor. Yahoo überträgt live Musik-Shows aus aller Welt, die User können für den von ihnen favorisierten DJ voten. Jede Woche geht eine der Shows auf Sendung – ein gigantischer Aufwand. Um User Generated Content zu verwalten, hat sich Yahoo Tumblr an Land gezogen. 475 Millionen User pro Monat zähle die Plattform – sie sei Doping für Yahoo gewesen. Die Frage, ob Yahoo mehr ein Medien- oder mehr ein Technik getriebenes Unternehmen sei, wollte Bridge gar nicht so recht verstehen: Ein gutes Medienunternehmen könne nur sein, was bereits eine gute Tech-Company ist. Eins bedinge das andere – und Yahoo sei schon immer auch ein Medienunternehmen gewesen. Das spiegele sich auf der Startseite von Yahoo wieder. Sie setzt darauf einen Teil der Inhalte redaktionell kuratieren zu lassen; einen anderen Teil bestücken Algorithmen, individuell auf den User zugeschnitten. So sollen User ein maßgeschneidertes Angebot bekommen, ohne nur in ihrer ewig selben Filterblase zu rotieren.
Auch Amazon gleitet mehr und mehr in die Rolle des Produzenten. Ähnlich wie Netflix will der Konzern Originalserien an den Start bringen. Seit der Amazon Fire Stick auf dem Markt ist, hat das Unternehmen ein ähnlich komfortables Produkt wie Apple mit seinem „TV-Puck“ im Markt. Vorkonfiguriert, man muss es nur noch in dem HDMI-Slot seines Monitors stecken, Strom dran, W-Lan-Passwort, fertig. Plug and play. Eine nicht ganz repräsentative Handzeichen-Umfrage unter den re:publica-Besuchern förderte allerdings zutage, dass es da „doch noch einiges Potenzial gibt“, so Amazon-Manager Dr. Christoph Schneider.
Bleiben die „Big Two“. YouTube und Facebook.
YouTube-Mann Ben McOwen Wilson wartete mit großen Zahlen auf: Weltweit würden pro Minute 300 Stunden Video-Material auf die Plattform geladen. In einer Woche sei das so viel, wie bisher im europäischen TV-Markt an Material produziert wurde – seit es Fernsehen gibt. Ich kann das nicht überprüfen – aber wir reden von deutlich mehr als drei Millionen Stunden Videomaterial pro Woche. Wer sich alles anschauen soll? Das sagte er nicht. Aber er sei sich sicher, dass wichtiges und relevantes Material gefunden werde. Volle Vertrauen in den Algorithmus. Und daneben hilft ja auch Google dem ein oder anderen Talent auf die Sprünge und monetarisiert dessen Auftritte auf der Plattform. YouTube/Google ist damit auch Produzent von Inhalten.
Aus diesem Markt hält sich Facebook komplett raus. Die Firma in blau setzt voll auf Videos, die User mit ihren Freunden teilen möchten. Und zwar solche, die nativ auf die Plattform geladen wurden. Sie erhalten in der Darstellung einen klaren Vorzug vor verlinkten YouTube-Videos. Der Durchbruch des Smartphones, die mobile Nutzung von Facebook habe das Thema Video erst richtig durchstarten lassen. Es sei der konsequente Weg gewesen: Nachdem erst Texte und dann Bilder die Timeline dominierten, sind es jetzt Videos. Facebook ermutigt Medien-Unternehmen, Bewegtbild nativ auf ihre Seiten zu laden und belohnt das nicht mit Geld, sondern mit Reichweite.
Der Facebook-Algorithmus belohnt Videos mit Reichweite
Diese Aussage bestätigte meinen subjektiven Eindruck: Posten wir Texte oder Bilder auf unserer RNF-Facebook-Seite, scheinen die Einblendungen bei unseren „Fans“ gedeckelt zu sein. Eine bestimmte Zahl an Usern bekommt die Meldung angezeigt, und alle anderen eben nicht. Sie müssten schon proaktiv auf unsere Seite gehen. Oder eine Meldung bekommt eine hohe Zahl an Shares von Usern, die die Meldung sehen, etwa bei Großereignissen, dann honoriert das der Algorithmus mit einer höheren Anzahl an Einblendungen. Und doch scheint er immer noch ein bisschen knausrig zu sein. Anders bei Videos: Die reicht er rum wie einen Brotkorb mit ofenwarmem Baguette. Da kommt ein dreißigsekündiges Video über einen Unfall schnell mal auf mehrere zehntausend Views, mehr sogar als man Fans auf der Seite hat – und man weiß eigentlich gar nicht warum. Häufig halten wir andere Themen für redaktionell relevanter.
Wie auch immer: Mit seiner Video-Strategie schafft es Facebook, die User ans Smartphone zu fesseln. An die hundert Mal glotzt inzwischen ein durchschnittlicher Smartphone-Nutzer täglich aufs Display, also alle acht bis zehn Minuten. Häufig checkt er seine Facebook-Timeline, und er bleibt länger bei ihr, wenn er Videos sieht.
Trotz dieses Erfolgs hält Facebook-Manager Martin Ott Video nur für eine Durchgangsstation. Augmented reality und virtual reality seien das nächste große Ding. Wenn jeder seine Freunde mit ihrem Smartphone auf eine virtuelle Tour mitnehmen und ihnen über große Distanzen hinweg trotzdem Aug’ in Aug’ gegenüberstehen könne – das werde die Qualität der Beziehungen über Social Networks noch einmal revolutionieren.
Ob wir als User, als Gesellschaft, das mitmachen? Ich wage keine Prognose. Wir werden vermutlich gar nicht richtig mitbekommen, was mit uns passiert. Es wird einfach über uns kommen, und wir werden irgendwann danach sagen: „Huch, da war gerade eine Revolution.“ So wie es uns seit Jahren schon ergeht.
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Mein Highlight der Media Convention im Rahmen der re:publica 2015: Das Gipfeltreffen der Video-Plattformen. Manager von Facebook, YouTube/Google, Yahoo und Amazon auf einem Podium.
Das Panel gab einen Einblick in die Strategien der mächtigsten Player im hart umkämpften Videomarkt. Es geht um Videoviews, Verweildauern, Aufmerksamkeitsspannen – den Währungen für den wirtschaftlichen Erfolg. Klar ist: Die Videoplattformen sind nicht mehr länger nur Verwalter von Inhalten, die Nutzer hochladen. Sie greifen als Produzenten von Inhalten aktiv in den Markt ein. Alle, außer Facebook.
Robert Bridge von Yahoo stellte einen weltweiten DJ-Wettbewerb vor. Yahoo überträgt live Musik-Shows aus aller Welt, die User können für den von ihnen favorisierten DJ voten. Jede Woche geht eine der Shows auf Sendung – ein gigantischer Aufwand. Um User Generated Content zu verwalten, hat sich Yahoo Tumblr an Land gezogen. 475 Millionen User pro Monat zähle die Plattform – sie sei Doping für Yahoo gewesen. Die Frage, ob Yahoo mehr ein Medien- oder mehr ein Technik getriebenes Unternehmen sei, wollte Bridge gar nicht so recht verstehen: Ein gutes Medienunternehmen könne nur sein, was bereits eine gute Tech-Company ist. Eins bedinge das andere – und Yahoo sei schon immer auch ein Medienunternehmen gewesen. Das spiegele sich auf der Startseite von Yahoo wieder. Sie setzt darauf einen Teil der Inhalte redaktionell kuratieren zu lassen; einen anderen Teil bestücken Algorithmen, individuell auf den User zugeschnitten. So sollen User ein maßgeschneidertes Angebot bekommen, ohne nur in ihrer ewig selben Filterblase zu rotieren.
Auch Amazon gleitet mehr und mehr in die Rolle des Produzenten. Ähnlich wie Netflix will der Konzern Originalserien an den Start bringen. Seit der Amazon Fire Stick auf dem Markt ist, hat das Unternehmen ein ähnlich komfortables Produkt wie Apple mit seinem „TV-Puck“ im Markt. Vorkonfiguriert, man muss es nur noch in dem HDMI-Slot seines Monitors stecken, Strom dran, W-Lan-Passwort, fertig. Plug and play. Eine nicht ganz repräsentative Handzeichen-Umfrage unter den re:publica-Besuchern förderte allerdings zutage, dass es da „doch noch einiges Potenzial gibt“, so Amazon-Manager Dr. Christoph Schneider.
Bleiben die „Big Two“. YouTube und Facebook.
YouTube-Mann Ben McOwen Wilson wartete mit großen Zahlen auf: Weltweit würden pro Minute 300 Stunden Video-Material auf die Plattform geladen. In einer Woche sei das so viel, wie bisher im europäischen TV-Markt an Material produziert wurde – seit es Fernsehen gibt. Ich kann das nicht überprüfen – aber wir reden von deutlich mehr als drei Millionen Stunden Videomaterial pro Woche. Wer sich alles anschauen soll? Das sagte er nicht. Aber er sei sich sicher, dass wichtiges und relevantes Material gefunden werde. Volle Vertrauen in den Algorithmus. Und daneben hilft ja auch Google dem ein oder anderen Talent auf die Sprünge und monetarisiert dessen Auftritte auf der Plattform. YouTube/Google ist damit auch Produzent von Inhalten.
Aus diesem Markt hält sich Facebook komplett raus. Die Firma in blau setzt voll auf Videos, die User mit ihren Freunden teilen möchten. Und zwar solche, die nativ auf die Plattform geladen wurden. Sie erhalten in der Darstellung einen klaren Vorzug vor verlinkten YouTube-Videos. Der Durchbruch des Smartphones, die mobile Nutzung von Facebook habe das Thema Video erst richtig durchstarten lassen. Es sei der konsequente Weg gewesen: Nachdem erst Texte und dann Bilder die Timeline dominierten, sind es jetzt Videos. Facebook ermutigt Medien-Unternehmen, Bewegtbild nativ auf ihre Seiten zu laden und belohnt das nicht mit Geld, sondern mit Reichweite.
Der Facebook-Algorithmus belohnt Videos mit Reichweite
Diese Aussage bestätigte meinen subjektiven Eindruck: Posten wir Texte oder Bilder auf unserer RNF-Facebook-Seite, scheinen die Einblendungen bei unseren „Fans“ gedeckelt zu sein. Eine bestimmte Zahl an Usern bekommt die Meldung angezeigt, und alle anderen eben nicht. Sie müssten schon proaktiv auf unsere Seite gehen. Oder eine Meldung bekommt eine hohe Zahl an Shares von Usern, die die Meldung sehen, etwa bei Großereignissen, dann honoriert das der Algorithmus mit einer höheren Anzahl an Einblendungen. Und doch scheint er immer noch ein bisschen knausrig zu sein. Anders bei Videos: Die reicht er rum wie einen Brotkorb mit ofenwarmem Baguette. Da kommt ein dreißigsekündiges Video über einen Unfall schnell mal auf mehrere zehntausend Views, mehr sogar als man Fans auf der Seite hat – und man weiß eigentlich gar nicht warum. Häufig halten wir andere Themen für redaktionell relevanter.
Wie auch immer: Mit seiner Video-Strategie schafft es Facebook, die User ans Smartphone zu fesseln. An die hundert Mal glotzt inzwischen ein durchschnittlicher Smartphone-Nutzer täglich aufs Display, also alle acht bis zehn Minuten. Häufig checkt er seine Facebook-Timeline, und er bleibt länger bei ihr, wenn er Videos sieht.
Trotz dieses Erfolgs hält Facebook-Manager Martin Ott Video nur für eine Durchgangsstation. Augmented reality und virtual reality seien das nächste große Ding. Wenn jeder seine Freunde mit ihrem Smartphone auf eine virtuelle Tour mitnehmen und ihnen über große Distanzen hinweg trotzdem Aug’ in Aug’ gegenüberstehen könne – das werde die Qualität der Beziehungen über Social Networks noch einmal revolutionieren.
Ob wir als User, als Gesellschaft, das mitmachen? Ich wage keine Prognose. Wir werden vermutlich gar nicht richtig mitbekommen, was mit uns passiert. Es wird einfach über uns kommen, und wir werden irgendwann danach sagen: „Huch, da war gerade eine Revolution.“ So wie es uns seit Jahren schon ergeht.
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