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Das Tüpfelchen auf dem i: Das neue Studio bei RNF

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Jetzt ist es also da, das neue Studio: Seit 11. September sendet RNF aus seiner neuen Kulisse. In den vergangenen sechs Wochen haben wir in ihr trainiert und getestet, Positionen und Fahrten ausprobiert, die Grafiken optimiert. Inzwischen fühlen wir uns pudelwohl in unserem neuen Wohnzimmer, das das Erscheinungsbild des Sender so entscheidend prägt. Die Rückmeldungen nach den ersten Sendungen waren durchweg positiv, wenn nicht sogar begeistert. Ein Volltreffer also. Unsere Sendungen wirken, so sagen uns Zuschauer und Werbepartner, „frisch“, „lebendig“, „modern“ – Attribute, die sie natürlich als erstes auf die neue Deko zurückführen. In Wirklichkeit ist sie aber nur das Tüpfelchen auf dem i und verstärkt den Eindruck. Denn bei genauerem Hinsehen steckt hinter der Frische viel mehr: Eine völlig neue Sicht auf die Mediengattung „Regionalfernsehen“.

Es mag im Jahr 2014 gewesen sein, als in unseren internen Besprechungsrunden zum ersten Mal die Worte „High Definition“ eine immer bestimmendere Rolle spielten. Die nationalen Sender waren längst umgestiegen, das schärfere HD-Bild wurde mehr und mehr zur alltäglichen Sehgewohnheit. Es wurde klar: Irgendwann müssen wir da mit. Klar war aber auch: So ein Komplettumstieg würde teuer werden, wir würden für diese größte Einzelinvestition von RNF eine Strategie entwickeln müssen. Und am besten eine, die nicht nur den technischen Umbau betraf, sondern die gesamte Ausrichtung des Senders.

Die Geschwindigkeit des Internet zurück ins Fernsehen holen

Einfach nur weiterzumachen wie zuvor schien eine schlechte Alternative zu sein: Medienwandel, Veränderung des Zuschauerverhaltens, die immer stärkere Rolle von sozialen Netzwerken im Alltag. Überhaupt: dieses Internet! Das geht ja nicht mehr weg. Wir wollten nicht irgendwann sagen müssen: „Das Internet hat uns in eine Krise gestürzt!“, sondern es umarmen, seine Möglichkeiten nutzen. Mit dem Internet nach vorne denken. Wir hatten erste Ideen, wie das aussehen könnte – technisch war die Zeit aber schlichtweg noch nicht reif. Wir hatten im aus regionaler Sicht starken Nachrichtenjahr 2013 gesehen, wie sich die Zeit schon gewandelt hatte: Unsere Redaktion arbeitete bei aktuellen Ereignissen mit Live-Blogs und Live-Tickern, Ad-hoc-Videos von aktuellen Ereignissen verbreiteten wir auf Facebook und auf der Website. Zuschauer, die schon User geworden waren, konnten partizipieren und taten es auch – nur im Fernsehen: Da dauerte es immer noch bis 18 Uhr, ehe die Nachricht über den Sender ging. In RNF LIFE – dem Regionalmagazin. Schneller ging‘s eben nicht in unserer Broadcast-Welt vor vier, fünf Jahren. Pünktlich UM 18 Uhr – klar, immer. Alles. Darauf war alles ausgelegt, das war der USP. Aber davor, danach, ad hoc irgendwann am Tag. Schwierig. Das wollten wir aber erreichen: die Geschwindigkeit des Internet zurück ins Fernsehen holen.

Zeitsprung: 21. Juni 2016. Fernseh-Deutschland sitzt vor dem Spiel Deutschland gegen Nord-Irland. Fußball-Europameisterschaft. Trotz der übermächtigen Konkurrenz produzieren wir RNF LIFE. Und darin: Eine Live-Schaltung zu einem Public Viewing-Event in Mannheim. Frauke im Studio, ich als VJ-Reporter (und Beta-Tester) draußen. Wir plaudern ein wenig hin und her. Das gab es so in der Sendung vorher noch nie. Denn diesmal realisieren wir die Schalte: mit einem iPhone.

Das Internet nicht fürchten, sondern es umarmen

Wir hatten schon eine Weile mit dem neuen System herumexperimentiert: iPhone mit App, Zwischenplattform im Netz, aus ihr heraus kommt ein Signal, das wir auf Sendung geben können. Die großen Vorteile der Installation:

  • App und Plattform liefern saubere 25 Frames pro Sekunde, unabdingbar für ein sendefähiges Livebild in Europa. Klingt banal, ist es aber nicht: Die Betriebssysteme jeglicher Smartphones kommen aus USA, und da sind 30 Frames der Standard, was hierzulande zu einem Ruckelbild führt, wenn man Videos dieser Geräte unbearbeitet ins Fernsehen einspeist. Die von uns genutzte App liefert europäischen Standard – was dem Smartphone aber enorme Rechenpower abverlangt, weshalb das mit der Liveschalterei erst seit dem iPhone 6 halbwegs gut und seit dem iPhone 6s richtig gut funktioniert. Das war die eine Limitierung, die eine Umsetzung des Projekts vorher verhindert hatte; die zweite war die bis dahin nicht flächendeckende Verfügbarkeit von LTE.
  • Die Latenzen liegen unter vier Sekunden. So lange dauert es bei einem Live-Reportergespräch via Satellit, bis Bild und Ton von der Außenstelle im Studio ankommen. Das sind Zuschauer gewohnt. Bei gewöhnlichem Livestreaming in hoher Qualität sind die Latenzen höher, da ist das Bild bis zu 28 Sekunden unterwegs. Eindeutig zu lang. Mit unserer Installation aber kein Problem.

Seit diesem Abend funktionieren Live-Schalten extrem problemlos – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Schnelligkeit. Zwar gab es in der Vergangenheit schon Konzepte, IP-Strecken für TV-Liveübertragungen zu nutzen (seit 2012 etwa testeten auch wir solche „Rucksäcke“ mit Ingest-, Encoder- und Upload-Modem in einer Einheit), sie waren und sind aber kostenintensiv, während iPhones vergleichsweise unbegrenzt zur Verfügung stehen. Dickes Datenpaket drauf – und fertig. Unser Umgang mit dem Internet zeigt an diesem Beispiel ganz besonders deutlich: Wir – als „altes“ Medium – nutzen die Möglichkeiten des Netzes fürs Fernsehen, sehen es nicht als Bedrohung, sondern sind Nutznießer seines Fortschritts.

Ähnlichkeiten zu Konzepten des „Mobile Journalism“ (#MoJo) sind dabei nicht zufällig, sondern beabsichtigt. Schon vor den Live-Schalten mit Smartphones (und bis heute) hatten RNF-Reporter Apps auf ihren Handys installiert, mit denen man qualitativ hochwertig Videos fürs Fernsehen drehen konnte, ohne dass es die Zuschauer irritiert hätte. Sicher, auch dabei gibt es Limitierungen, insbesondere bei der Brennweite – aber im Zweifelsfall ist die kleine Kamera in der Hosentasche eben doch besser als die große Kamera, die man gerade nicht dabei hat.

„RNF 4.0“ – Größenwahn? Mitnichten.

Unterdessen hatte bei RNF längst die „Denkfabrik“ eingesetzt: In einem firmeninternen Barcamp definierten alle Mitarbeiter gemeinsam Ziele, es gab eine „Task force“, die Konzepte für ein neues Programmschema und neue Formate ausarbeitete. Eine andere Gruppe kümmerte sich parallel und in Abstimmung um die künftige Ausstattung des HD-Equipments. Eine dritte Gruppe strickte Programme und eine Serverstruktur, die den gewünschten künftigen flexiblen und effizienteren Arbeitsabläufen quasi auf den Leib geschneidert war. Denn inzwischen wurde immer klarer, was wir wollten: einen regionalen Nachrichtensender, der 24 Stunden am Tag ohne großes Aufhebens auf Sendung gehen kann, um Aktualität zu transportieren. Das haben wir realisiert, knackig scharf in Full-HD – und noch ein bisschen mehr: Mit einer App, die nicht nur auf iOS- und Android-Systemen, sondern auch auf den meisten Smart-TV-Plattformen läuft, haben wir dem Regionalfernsehen neuen Schwung verliehen. Alles Aktuelle wird so jederzeit und überall – live, aus der Mediathek oder als Tickernachricht – zum Zuschauer transportiert – der in unserem Sinne nun auch völlig problemlos User sein kann. TV und Web greifen für uns voll integriert ineinander über. Die Grenze zwischen den Mediengattungen ist aufgehoben.

Den gesamten Umbau- und Veränderungsprozess begleiteten Workshops für Mitarbeiter, in Slack versuchten wir alle sich ergebenden Entwicklungen frühzeitig zu kommunizieren, „Kummerkasten“-Runden sollten helfen, Ängste vor der Veränderung abzubauen und Tranparenz zu schaffen. Auch die Zuschauer haben im Laufe des Projektes immer wieder informiert: Drei „Zur Sache“-Runden widmeten wir dem Umbau. Am Ende sind wir flexibler und insgesamt leistungsfähiger geworden. Dass es dennoch immer mal wieder knirscht, wollen wir gar nicht kleinreden – das gehört zu Veränderungsprojekten in einem solchen Ausmaß eben auch dazu. Der erreichte Grad der Automatisierung, die Verknüpfung früher getrennter Hardware- und Softwareinseln, die bis ins Detail veränderten Workflows, der Umbau des Programmrasters, kurz: die Ganzheitlichkeit des Wandels lässt den Zusatz „4.0“, entlehnt aus der „Industrie 4.0“, doch gerechtfertigt erscheinen.

In diesem Video zeige ich, wie unser Konzept in der Praxis funktioniert:

 


 

Primat der Aktualität

Nichts erwarten die Zuschauer eines Regionalprogramms mehr: Nachrichten und bewegte Bilder aus ihrem direkten Umfeld – und zwar schnell. Das ist der CNN-Effekt. Für Zuschauer ist es inzwischen ganz normal: Irgendwo auf der Welt ist was los? CNN anmachen, da wird‘s schon zu sehen sein. Und das erwarten sie wie selbstverständlich auch vom Sender vor der Haustür. Auch deshalb läuft bei RNF jetzt immer häufiger der Nachrichtenticker im unteren Bilddrittel durchs Bild. Es soll egal sein, wann ein Nutzer in unser Programm schaltet: News und Aktualität haben Priorität. Und weil gerade von der Verschmelzung der Mediengattungen die Rede war – kleines Schmankerl am Rande: Die Schlagzeilen des Tickers im TV sind genau genommen die aus dem RSS-Feed aus dem Nachrichtenteil unserer Website RNF.de ausgelesenen Schlagzeilen. „Wir holen die Schnelligkeit aus dem Internet zurück ins Fernsehen“ – in diesem Fall ist das ganz wörtlich zu nehmen.

In dieser Folie, die wir in Präsentationen vor Fachpublikum immer wieder einsetzen, sind die einzelnen Veränderungen im Sinne der Aktualität aufgeführt.

Nur einen Punkt will ich dabei detailliert herausgreifen: „RNF Aktuell um 12“ bzw. um 16 Uhr: Dieses Format wäre vor unserem Change-Projekt nicht denkbar gewesen, weil es einen immensen Aufwand bedeutet hätte. Jetzt entsteht jeden Tag für die Mittagspause ein kurzer, top-aktueller Nachrichtenüberblick. Die Beiträge dafür werden – wie im Video oben gezeigt – nicht mehr auf Schnittplätzen (wie man das ja normalerweise im Fernsehen so macht…), sondern direkt am Newsdesk im Großraumbüro produziert und auch direkt von hier auf den Sendeserver transferiert. Die Bilder für diese Beiträge kamen über Nacht schon rein, oft direkt vom Einsatzort per LTE. Reporter, die auf tagesaktuellen Drehs unterwegs sind, schalten live in die Sendung hinein und berichten von vor Ort, woran sie gerade noch arbeiten. Das fertige Ergebnis ist dann in aller Regel in der Abendsendung zu sehen. „Aktuell um 12“ geht um Punkt 12 über den Sender und steht wenige Minuten später bereits in der Mediathek – rechtzeitig also zur Mittagspause. Und die User haben offensichtlich Spaß daran und nehmen das Angbot an: Seit April verbucht der Newsflash im Web steigende Nutzungszahlen, zzt. täglich sehr deutlich im vierstelligen Bereich. Fürs TV gibt es keine validen Zuschauerzahlen – die Indikatoren, die wir haben, deuten aber immerhin auf mehrere zehntausend Zuschauer täglich hin.

Der Vorteil dieser Sendeschiene für Redaktion und Technik: Die gesamte Mannschaft ist zu jeder Zeit latent sendebereit, ein Grundstock an Informationen ist erarbeitet – und wenn nun irgendetwas Außergewöhnliches passiert, sind wir innerhalb von fünf Minuten oder spätestens zur nächsten vollen Stunde live on air.

Meilenstein erreicht, Ende nicht in Sicht – und das ist gut so

Damit ist jetzt vermutlich klarer, warum die neue Studiodeko im großen Zusammenhang für uns „nur“ das Tüpfelchen auf dem i ist – in der Wahrnehmung von außen ist das neue Design natürlich ein ganz entscheidender und wichtiger Punkt. Das Studio ist die Visitenkarte des Senders. Aber mal ehrlich: Das Panoramabild mit der großen Monitorwand macht doch noch viel mehr Spaß, wenn da ein Live-Reporter direkt vor Ort einschätzt, was eigentlich gerade Sache ist – und das klappt nun eben nur mit der ganzen neuen Grundausrichtung dahinter.

Dass es neben der aktuellen Berichterstattung auch „normales“ Programm gibt, ist völlig klar. Nicht jeden Tag überhäuft uns die Metropolregion Rhein-Neckar mit Breaking News. Für diese Zeiten haben wir unsere etablierten journalistischen Formate, aber auch eine ganze Reihe neuer Ansätze, schön gedrehte Reportagen, intensive Themen-Talks, Unterhaltung und Zerstreuung, auch Slow-TV.

2017. RNF hat ein Zwischenziel erreicht. Sendeschema, Workflows, die Software-Plattformen in Produktion und auf allen Ausspielwegen – all das haben wir konzeptionell so flexibel gestaltet, dass wir uns neuen Strömungen und Erfordernissen leicht anpassen können. Was uns der Medienwandel noch bringt, wohin die User tatsächlich driften – wer die Antwort auf diese Fragen heute hätte, könnte Milliarden scheffeln. Klar ist nur, dass sich etwas verändern wird – und darauf sind wir vorbereitet. Der Wandel bleibt uns erhalten.